Stephen Doherty:
In voller Blüte

Anlässlich seiner Zusammenarbeit mit COS spricht Stephen Doherty über Kunst, Einflüsse und die Bedeutung von Blumen.

„Stärke in der Zartheit“ – so beschreibt Stephen Doherty (er/ihm) seine Blumenaquarellstudien. Für einen Künstler, der mit Tinte und Wasser kraftvolle Kunstwerke schafft, könnte die Analogie nicht passender sein.

Stephen wurde in Manchester geboren und verbrachte viel Zeit in der Abteilung für Kunst an seiner High School. Seine Lehrer und Lehrerinnen förderten hier sein Talent für das Zeichnen. Er zog nach London, um am renommierten Central Saint Martins (CSM) einen Grundkurs in Kunst zu absolvieren. Hier hatte er das Gefühl, etwas beweisen zu müssen, war aber zugegebenermaßen ein „wirklich schlechter Student“, der Partys feierte und in letzter Minute Wunder vollbrachte, um Fristen einzuhalten. „Ich glaube, ich war noch nicht ganz bereit für das CSM“, sagt Stephen. „Es war eine sehr schwierige Zeit für mich. Ich war der Erste in meiner Familie, der zur Universität ging, und rückblickend denke ich, dass es für mich schwieriger war, von ihnen getrennt zu sein, als mir bewusst war.“

Anstatt seine Abschlusskollektion fertig zu stellen, nahm sich Stephen eine einjährige Auszeit von seinem Studium, um im Atelier des aufstrebenden Designers für Strickmode, Craig Lawrence, zu arbeiten. Die Aufregung rund um vier Jahre Shows und den Verkauf von Kollektionen in Paris brachten ihn zu dem zurück, was er am meisten vermisste: das Zeichnen und Entwerfen seiner eigenen Arbeiten.

„Kunst kann ein Fenster zu einem anderen Ort sein. Ich mag es, wie beruhigend und hoffnungsvoll sie sich anfühlen kann.“

Im Jahr 2009 verließ er das Central Saint Martins und baute sich im Anschluss durch Gruppenausstellungen eine stetig wachsende Fangemeinde auf. Seine erste Ausstellung fand 2011 in Nick Knights revolutionärer Londoner Kunstgalerie SHOWstudio statt. Es folgten Ausstellungen in New York und Tokio, zudem arbeitete Stephen in Bars und Cafés, um über die Runden zu kommen. Im Jahr 2014 veranstaltete er eine Einzelausstellung im Somerset House und fand eine Stelle als Illustrator beim 10 Magazine. Zeitgleich baute er seine Online-Präsenz mithilfe seiner Videos über Blumen aus.

Schlussendlich zahlte sich die harte Arbeit aus und er wurde 2017 vom Dozent Berni Yates gebeten, am Central Saint Martins zu unterrichten. Für ihn war das ein Lichtblick am Horizont, wie eine Art „Berufssiegel“. Seine Erfahrungen als Student wirkten sich dabei positiv auf seine Lehrmethoden aus. „Ich versuche, die Anspannung aus meinem Unterricht zu nehmen und das Zeichnen als einen bewussten Akt der Wertschätzung eines Objekts zu betrachten, anstatt etwas Fotorealistisches anzustreben.“

Mit seiner Rückkehr ins SHOWstudio im Sommer 2019 feierte Stephen seine erste große Einzelausstellung mit dem Titel „Gratitude Blooms“. Als Inspiration dafür diente sein Studium von Blumen während eines Aufenthalts in Goa, Indien. Im selben Jahr erhielt er die Auszeichnung „NEW WAVE: Creatives“ des British Fashion Council und wurde Artist in Residence der Stiftung Sarabande, einer gemeinnützigen Organisation, die junge kreative Köpfe finanziell unterstützt und zu Ehren des Designers Alexander McQueen gegründet wurde. Für den Künstler schloss sich der Kreis. „Auch, wenn der Anfang nicht perfekt ist, kann man am Ende doch an wunderschönen Projekten arbeiten“, sagt er.

„Der ständige Kreislauf des Wetters beansprucht die Natur. Alles wird zerstört, aber ist wunderschön. Diese Präsenz von Entstehung und Zerstörung inspiriert mich.“

Wir haben Stephen getroffen, um mehr über die Bedeutung von Blumen für seine Arbeit und die künstlerischen Aspekte hinter seiner exklusiven Zusammenarbeit mit COS zu erfahren ...

KUNST ERSCHAFFEN
„Ich habe einmal darüber nachgedacht, Jura zu studieren! Dann wurde es Modedesign, was mehr Sinn machte als ein Künstler zu sein, weil ich das als Geschäftsmodell begreifen konnte. Erst als ich die High School besuchte, wurde mir klar, dass auch Künstler ein Beruf ist. Mein Kunstlehrer zeigte mir die Savage Beauty Kollektion von Alexander McQueen und mir wurde klar, dass ich dafür bezahlt werden könnte, schöne Dinge zu kreieren.“

KARRIERE-HIGHLIGHT
„Ich habe in den ersten Jahren, als ich für den Designer Craig Lawrence arbeitete, sehr viel Unterstützung von SHOWstudio erhalten. Wir drehten am Set einen ihrer Prozessfilme, Craig entwarf eine Jacke, während ich sie skizzierte. Die damalige Kuratorin, Carrie Scott, mochte meine Zeichnungen sehr und sagte mir, ich solle meine Zeichenmappe mitbringen. Sie bat mich, an ihren Gruppenausstellungen mitzuwirken, was ich einige Jahre lang tat, bis sie mir großzügigerweise meine erste Einzelausstellung anboten.“

DER PROZESS
„Ich beginne mit dem Einfärben des Papiers, um einen Hintergrund aus Wasserzeichen zu kreieren, und baue dann Schichten auf. Innerhalb der Werke entsteht die Vielfalt dadurch, dass man die Tinte ihre Arbeit machen lässt und darauf reagiert. Es ist eine Art Hin und Her. Wenn ich etwas Strukturiertes und Abgenutztes haben möchte, dauert es eine Weile, bis die Farben zusammenlaufen und trocknen – ein großer Teil des Prozesses ist die Trocknungszeit. Da ich diesen Stil schon so lange praktiziere, kann ich mich in ihn hineinversetzen und entspannen und darauf vertrauen, dass er sein eigenes Ding macht. Es ist ein ganz natürlicher Prozess.“

„Was ich mache, ist ziemlich methodisch und meditativ. Es ist etwas, auf das ich mich verlassen und dem ich vertrauen kann. Es ist ganz natürlich.“

BLUMEN
„Ich möchte das Gefühl der Leichtigkeit und Hoffnung einfangen, das von den Blumen ausgeht, wenn man sie betrachtet. Ich schöpfe aus ihrer Präsenz als Schreinopfer und ihrer Verwendung in Ritualen. Ich stelle mir die Bedeutung und die Kraft hinter jeder einzelnen Blume, die ich erschaffe, als visuelle Reise vor; ob sie verwittert, beschädigt, zerrissen oder strapaziert ist: all das kommt in den Arbeiten zum Ausdruck.“

AUFENTHALT IN GOA
„Während der Monsunzeit verbrachte ich drei Monate im Aamir Art House in Porvorim, Goa. Es war großartig, die Möglichkeit zu haben, dem Alltagsstress zu entfliehen und sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren zu können. Ich war noch nie so entspannt. Die Art und Weise, wie das Wetter alle Oberflächen und die Natur verändert hatte, alles befand sich in einem Kreislauf, in dem es zerstört, aber schön war. Wie frische Blumen, die verbrannt wurden, was die Farben beeinflusste, die ich für meine Arbeit verwendete. Ich habe das Gefühl, dass die Verwendung von Blumen in meiner Arbeit in gewisser Weise ein Versuch ist, mich in die Zeit zurückzuversetzen, in der ich mich dort befand.“

DIE STIFTUNG SARABANDE
„Meine Freundin Helen Price, die damals mit Craig Green zusammenarbeitete, schlug mir vor, mich bei Sarabande zu bewerben. Ich traf mich mit Trino Verkade, dem Gründungskurator. Ich war so schnell drin und wieder draußen, ich wusste nicht, was mich erwartet! Als mir dann ein Platz angeboten wurde, war ich begeistert. Trino gab mir viele unternehmerische Ratschläge, insbesondere zur Preisgestaltung und Bewertung meiner Arbeit. Die Stiftung setzt sich für alle Künstler und Künstlerinnen ein, und das Tolle an Sarabande ist, dass man, wenn man weg ist, immer noch Teil der Familie ist.“

DIE KOLLEKTION
„Die Kollektionen und Stores von COS vermitteln immer ein Gefühl von Ruhe und Gelassenheit. Bei Blumen gibt es ein Spiel mit der Bewegung, und es war interessant zu sehen, wie sich das auf die Silhouetten und alle Seidenschals überträgt. In Hinblick auf den Sommer wollte ich die warmen Farben des Sonnenuntergangs mit kühlerem, frischerem Schwarz und Blau kombinieren. Ich mag die Wirkung, die eine Blume für sich allein hat. Deshalb war es wichtig, dass jeder Print, den ich für diese Kollektion entworfen habe, jeder Blume Raum zum Atmen gibt.“


Text von Christopher Prince
Porträt von Chieska Fortune Smith


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