MENSCHEN
Die Zukunft des Storytellings neu gedacht mit Manny Jacinto
„Das Erzählen von Geschichten durch eine größere Vielfalt an Stimmen bringt Storytelling weiter voran; es hebt das Medium auf eine höhere Ebene“: der Schauspieler über Film, Mode und eine Zukunft voller Vielfalt.
„Menschen auf der ganzen Welt können heute ihre Geschichten erzählen, es ist nicht nur den Privilegierten vorbehalten.“
„Storytelling war schon immer ein großer Teil meines Lebens“, sagt Manny Jacinto, „in welcher Form auch immer es sich ausdrücken lässt. Ob durch Tanz, weil ich ursprünglich Tänzer war, oder durch die Schauspielerei, oder einfach dadurch, dass ich die Geschichten meiner Großeltern und Eltern gehört habe. Es definiert wirklich, wer ich bin.“
Und das tut es auch heute noch – durch jede mit Spannung erwartete neue Veröffentlichung. Seit der kanadische Schauspieler mit durchschlagendem Erfolg Jason Mendoza in der Comedy-Serie The Good Place, spielte, konnte er eine Reihe ähnlich charismatischer Rollen ergattern: in der Mini-Serie Nine Perfect Strangers, , der Horror-Thriller-Serie Brand New Cherry Flavor, der Liebeskomödie I Want You Backund an der Seite von Tom Cruise im bald erscheinenden Film Top Gun: Maverick. Diese Bandbreite steht für eine Vielseitigkeit, die seinem Charakter zu entsprechen scheint: Charme, Bescheidenheit und Nachdenklichkeit zu gleichen Teilen.
Wir trafen Jacinto in seiner Heimatstadt Vancouver in Kanada, um über die Zukunft des Storytellings zu sprechen, zu erfahren, welche Filmkamera er am Set gerne bei sich hat und von aufregenden neuen Entwicklungen zu hören, welche auf die Branche zukommen, da sie nun mehr und mehr vielfältige Geschichten aufgreift.
ÜBER SEINEN ERSTEN AUFTRITT
„Als ich jünger war, ging ich auf eine französische Sprachschule, und dort gab es eine Übung namens Art Oratoire, oder ‚gesprochene Kunst‘. Ich war in der siebten Klasse und habe mir eine ganze Geschichte ausgedacht, die ich vor der Klasse erzählen wollte. Ich erinnere mich noch daran, wie sehr ich mich bemüht habe, alles komplett auswendig zu lernen. Ich hatte überhaupt nichts bei mir – nur mich, meine Stimme und meine Geschichte. Ich habe mich in diesem Moment sehr verwundbar gefühlt. Es war das erste Mal, dass ich wirklich realisiert habe, dass ich ein Faible für Storytelling habe.“
ÜBER DIE BEDEUTUNG VON NERVOSITÄT
„Ich glaube, das Bauchkribbeln ist niemals komplett verschwunden. Aber ich interpretiere es für mich so: Wenn ich kein Adrenalin spüre, ist mir etwas nicht wirklich wichtig, dann bin ich nicht leidenschaftlich. Die Schmetterlinge im Bauch sind also etwas Gutes – sie erinnern mich daran, dass ich bei einer Sache alles geben muss.“
ÜBER SEIN LIEBLINGSMEDIUM
„Als Kind war ich viel alleine, also war der Fernseher das wichtigste Medium für mich. Er war das einzige, was mir Gesellschaft leistete. Von Zeichentrickserien am Samstagmorgen bis hin zum Sportschauen mit meinem Vater – Fernsehschauen bedeutete für mich eine ganz bestimmte Art von Komfort.
Mit dem heutigen Stand der Technik ist der Computer zum Fernseher geworden. Es gibt Algorithmen und andere Dinge, die sich hinter den Kulissen abspielen und die beeinflussen, was sich Menschen ansehen, egal ob auf YouTube oder auf den sozialen Medien. Aber als ich jünger war, war es wie ein Spielplatz – ich musste mir keine Gedanken darum machen, dass hinter den Kulissen jemand die Fäden zieht.“
„Das Erzählen von Geschichten durch eine größere Vielfalt an Stimmen bringt Storytelling weiter voran; es hebt das Medium auf eine höhere Ebene.“
ÜBER DIE ZUKUNFT DES STORYTELLINGS
„Am Anfang war es ziemlich schwierig, die richtige Ausrüstung für einen Film oder eine Show zu finden, und es war sehr teuer. Wenn man heutzutage eine Idee hat, kann man einfach mit Freunden einen Film auf dem iPhone machen, oder man kann die Ausrüstung mieten oder ausleihen. Wenn man sich wirklich für etwas begeistert und die Idee auf den Bildschirm bringen will, hat man fast keine Entschuldigung. Das ist großartig! Menschen auf der ganzen Welt können heute ihre Geschichten erzählen, ist es nicht nur den Privilegierten vorbehalten.
Damit öffnen sich Türen zu so viel mehr verschiedenen Geschichten, ob sie aus unterschiedlichen kulturellen oder sozioökonomischen Situationen oder nur aus verschiedenen Blickwinkeln stammen. Glücklicherweise kommen nun immer mehr unterschiedliche Stimmen zu Wort, was fantastisch ist. Es ist ein unglaubliches Gefühl, an diesem Moment teilzuhaben. Ich bin voller Hoffnung und Vorfreude auf das, was uns erwartet. Das Erzählen von Geschichten durch eine größere Vielfalt an Stimmen bringt Storytelling weiter voran; es hebt das Medium auf ein höheres Level.
Heute ist alles zugänglicher – wir können etwas mit unserem Handy kreieren, Momente einfangen. Es passiert einfach so viel; Menschen kämpfen um die Aufmerksamkeit anderer. Ich denke, deshalb müssen die Geschichten, die man erzählt, gut ausgearbeitet sein, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Zeit ist ein so begehrtes Gut.“
ÜBER DEN KLEIDUNGSSTIL INTROVERTIERTER MENSCHEN
„Mein Stil variiert je nach Situation, und ich glaube, das kommt von der Schauspielerei. Um ganz genau zu sein: Ich greife immer gerne zu einem schönen Rollkragenpullover, und einem langen Trenchcoat. Ich versuche, darüber nachzudenken, ohne es zu sehr zu überdenken, aber vielleicht ist es deshalb, weil diese Art von Kleidung viel von meinem Körper bedeckt und dadurch fast wie ein Schutzschild wirkt. Ich bin nicht sehr extrovertiert. Ich verschwinde gerne im Hintergrund und beobachte andere. Diese Kleidungsstücke vermitteln mir das Gefühl, mich verstecken zu können. Ich habe gelernt, auf Qualität statt Quantität zu achten; die Kleidungsstücke, die ich auswähle, kann ich für lange Zeit tragen. Wie etwa einen zeitlosen Pullover, und eine zeitlose Jacke .'
ÜBER DEN STELLENWERT VON MUSIK, WENN ER WEIT WEG VON ZUHAUSE IST
„Musik ist eins der wenigen Dinge, die meine Stimmung wirklich beeinflussen können, von melancholisch bis hin zu fröhlich. Ich trug stets meinen alten iPod von vor zehn oder fünfzehn Jahren mit mir, und darauf war all die Musik, mit der ich groß geworden bin. Es gab mir einen Sinn von Nostalgie und Komfort, egal wo ich war. Es war in gewisser Weise mein Anker. Nun habe ich ihn leider verloren. Falls jemand also einen iPod der vierten oder fünften Generation findet, sagt mir Bescheid!“
ÜBER SEINEN LIEBLINGSORT
„Tatsächlich befinde ich mich gerade in meinem Lieblingsort, in Vancouver. Ich wohne in LA, aber ich bin in Vancouver aufgewachsen, und viele wichtige Ereignisse in meinem Leben haben hier stattgefunden, all meine Freunde, mit denen ich aufgewachsen bin, leben hier, und meine Eltern und meine Familie sind hier. Vancouver ist der Ort, an dem ich Zuflucht und Komfort finde, an dem ich atmen kann. Und das meine ich sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinne, da die Natur hier so eng mit der Stadt verwoben ist.
Nicht weit von meinem Haus gibt es einen Kiespfad, der genau neben einem Gewässer verläuft. Dort ist auch eine kleine begehbare Plattform, auf der man ganz von Wasser umgeben ist. Der Sonnenuntergang dort ist wunderschön. Es ist ein kleiner geheimer Ort.“
SCHNELLFRAGERUNDE
Welcher Schauspieler würde Sie in der Verfilmung Ihres Lebens spielen?
„Vielleicht ein jüngerer Tony Leung – er ist großartig.“
Was sammeln Sie?
„Ich sammle Filmkameras. Wenn ich am Set arbeite, mache ich gerne Fotos. Es beruhigt mich, etwas anderes zu tun, als mir Sorgen um die Szene oder den Charakter zu machen. Am Set benutze ich oft eine Widelux. Den Tipp habe ich von Jeff Bridges, als ich einmal kurz mit ihm arbeitete. Es ist eine Panorama-Filmkamera, eine ausgefallene Kamera, und alt noch dazu – ich glaube, sie wurde in den 70er-Jahren designt. Die Bilder, die sie erzeugt, haben unheimlich viel Charakter, besonders in schwarz-weiß.
Das erste Album, das Sie je gekauft haben?
„Ich glaube, es war ein Album namens Another Level von Blackstreet. Mit der klassischen Single No Diggity.’
Text von Maisie Skidmore
Fotografie von Jack Davison
Styling von Clare Richardson
Manny Jacinto (@mannyjacinto) trägt die H/W21 Kollektion von COS. Fotografie von Photography by Jack Davison.