MENSCHEN

Isaac Powell über seinen Weg zum Broadway

Der aufsteigende Theater- und TV-Star über die Menschen und Orte, die seine Reise von North Carolina nach New York geprägt haben.

Isaac trägt einen gestrickten Pullover von COS.

Isaac Powell (er/ihm) verbrachte den ganzen Morgen damit, sein geliebtes Fahrrad wieder zusammenzubauen, das er zu Dreharbeiten in Los Angeles mitgenommen hatte. Seit seinem Broadway-Debüt im preisgekrönten Musical Once on This Island kurz nach seinem College-Abschluss hat ihn seine Tätigkeit als Schauspieler quer durch die USA geführt, von einer Kleinstadt in North Carolina bis zu seinem aktuellen Wohnort New York. Sein kometenhafter Aufstieg, der in einem örtlichen Theater begann und jetzt anspruchsvolle Rollen in Film und Fernsehen umfasst, entwickelte sich innerhalb von fünf Jahren, in denen er pausenlos arbeitete. Auf die Erfahrungen, die er während dieser Zeit sammelte, kann er heute für seine Arbeit zurückgreifen. „Mein Handwerk ist nichts ohne persönliche Erfahrungen", sagt er. „Zu behaupten, dass eine gegenseitige Beeinflussung besteht, wäre untertrieben. Meine persönliche Erfahrung und was ich in einen Charakter einbringen kann ist alles, was ich habe."

Powell wuchs in seiner Heimatstadt Greensboro, North Carolina, als jüngstes von drei Kindern einer Familie voller Sportler auf. Der Einfluss von Sport und Natur ist immer noch stark, daher das Fahrrad. Obwohl eine Karriere im künstlerischen Bereich angesichts seines ländlichen Hintergrunds nie naheliegend war, hat ihm das Verfolgen dieses Traums die Rolle des Tony in West Side Story, den Auftritt in der Fernsehserie American Horror Story und eine Rolle in der Verfilmung des Musicals Dear Evan Hansen eingebracht. Glücklicherweise gehört er zu den Schauspielern, die unter Druck besonders gut funktionieren. „Wenn ich den Druck nicht spüre, ist das nicht gut", sagt er. „Ich höre gerne auf mein Bauchgefühl. Druck ist das Benzin, das meinen Motor am Laufen hält." Sollte man das Aufwachsen in einer Familie ohne Künstler als Nachteil ansehen, hat ihn dieser definitiv nicht aufgehalten.

Mitten in einer Hitzewelle, die New York in Atem hält, spricht Powell darüber, wieso er das Theater als Fitnessstudio betrachtet, wie er in Treffpunkten in der Nachbarschaft Inspiration für die Schauspielerei findet und in die Fußstapfen seiner Helden tritt. „Für mich“, sagt er, „bedeutet das eigentlich nur, weiterhin mit Menschen zusammenzuarbeiten, die mich begeistern, und bei Stücken mitzuspielen, die mich bewegen.“

„Zu sehen, wie Menschen mit der Stadt und miteinander agieren, ist so inspirierend."

ÜBER DEN BROADWAY
„Das ist der einzige Ort, an dem sich ein Schauspieler wie ein Profisportler fühlen kann. Als New Yorker Schauspieler am Broadway zu spielen fühlt sich so ähnlich an als wäre man ein Sportler, der auf dem heimatlichen Spielfeld steht. Das Publikum ist eine riesige Stütze. Die Menschen in New York City sind verrückt nach dem Theater, vor ihnen zu performen ist wirklich aufregend. Das Broadway-Debüt fühlt sich an wie ein Initiationsritus.“

ÜBER UNGEWÖHNLICHE WEGE
„Ich habe nie eine Karriere im künstlerischen Bereich angestrebt. Es war nichts, was ich für möglich hielt. Ich bin nicht mit künstlerisch veranlagten Menschen um mich herum aufgewachsen, sondern in einer Familie voller Sportler und Sportlerinnen, und lebte in einer ländlichen Gegend meiner Heimatstadt. Beim Besuch meines ersten Theaterstücks war ich etwa 12 Jahre alt – damals hat sich mir ein neuer Teil der Welt eröffnet. Ich erinnere mich daran, dass ich diesen Kinderschauspieler beobachtet habe und mir dachte, das könnte ich besser. Also bin ich zu einem Vorsprechen unseres örtlichen Gemeindetheaters gegangen. Von da an ging alles wie von selbst.“

ÜBER DIE IDENTITÄTSFINDUNG
„Ich habe in einer Produktion von Once on This Island den Daniel gespielt, als ich 2017 zum ersten Mal am Broadway aufgetreten bin. Dieser Charakter kam aus einer Welt, die der meinen sehr ähnelt. Ich hatte vorher noch nie die Gelegenheit, einen Charakter mit gemischtem Hintergrund zu spielen, der sich im Spagat zwischen zwei gegensätzlichen sozialen Welten befand, das war also sehr spannend für mich. An diesem Punkt in meinem Leben konnte ich mich wirklich damit identifizieren.“

ÜBER HARTE ARBEIT
„Das Theater ist ein toller Übungsplatz für die Arbeit in Film und Fernsehen. Man spielt acht Mal die Woche in derselben Vorstellung, die schwerste Aufgabe ist es, jedes Mal mit demselben Elan heranzugehen. Wenn man etwas oft wiederholt ist es fast so, als würde man ins Fitnessstudio gehen und Gewichte stemmen. Man macht so viele Wiederholungen, dass man anfängt, Kraft und Ausdauer aufzubauen. Hier kann ein Schauspieler jeden Tag seine Muskeln trainieren und in Form bleiben.“

ÜBER DAS ÜBERWINDEN VON GRENZEN
„Als Tony in West Side Story spielte ich auf derselben Broadway-Bühne wie Patti LuPone in Evita. So viele ikonische Performances spielten sich auf genau dieser Bühne ab, beispielsweise Patina Miller in Sister Act, Sutton Foster in Shrek the Musical, Kristin Chenoweth in Promises, Promises. So viele Menschen, zu denen ich aufschaue, haben hier performt, ich konnte es also kaum erwarten, in ihre Fußstapfen zu treten.“

Isaac trägt einen Mantel, ein Hemd und eine Hose von COS.

„Je mehr Zeit ich in einer bestimmten Stadt verbringe, desto mehr kleide ich mich im Stil dieser Stadt."

ÜBER DAS FINDEN EINER GEMEINSCHAFT
„Ich hatte das Glück, bei meinem Umzug nach New York bereits einen Job zu haben – ich wurde gleich nach meinem College-Abschluss für meine erste Broadway-Show engagiert. Nach meiner Ankunft begann ich also sofort mit den Proben und wurde gleich in die Theatergemeinschaft aufgenommen. Ich konnte ziemlich schnell Fuß fassen.“

ÜBER SELBSTENTFALTUNG
„Je mehr Zeit ich in einer bestimmten Stadt verbringe, desto mehr kleide ich mich im Stil dieser Stadt. Den Großteil des letzten Jahres habe ich in Los Angeles verbracht und mich stiltechnisch definitiv den Kaliforniern angepasst. Jetzt, wo ich wieder in New York bin, kleide ich mich dem hiesigen Stil entsprechend. In Kalifornien ist die Atmosphäre lockerer, New York dagegen ist immer auf Trab und auf Trends fokussiert. Wenn ich in meine Heimat North Carolina reise trage ich wieder Cowboystiefel und Dickies®, ich bin also eine Art Fashion-Chamäleon. Ich kleide mich gerne passend zu der Stadt, in der ich mich gerade aufhalte.“

ÜBER RÜCKBESINNUNG
„Sobald ich bei meinen Eltern ankomme, mache ich einen Spaziergang durch den Wald zu dem Bach, in dessen Nähe ich aufgewachsen bin. Ich liebe es, draußen zu sein. Was ich an North Carolina am meisten vermisse ist die Natur. Wenn man genau hinschaut gibt es jedoch auch hier in New York viel Natur, beispielsweise Orte wie die High Line, Little Island am Pier 55 und den New York Botanical Garden in der Bronx.“

ÜBER DIE GESELLSCHAFT
„Ich liebe die Gegend, in der die Stadtteile Greenpoint und Williamsburg aufeinandertreffen. Hier sind immer viele junge künstlerisch begabte Menschen unterwegs. New York ist der beste Ort der Welt, wenn man gerne Menschen beobachtet. Zu sehen, wie Menschen mit der Stadt und miteinander agieren, ist für einen Schauspieler so inspirierend. Selbst das Verhalten der Leute, die denken, sie wären allein oder unbeobachtet.“

ÜBER NEUE WEGE
„Meine Aufenthalte in London, San Francisco, Los Angeles und Paris waren einfach toll. Ich würde sehr gerne mehr von Nordamerika sehen, in Vancouver werden, wie ich weiß, sehr viele Filme gedreht. Auch die Natur in British Columbia reizt mich. Ich kann definitiv für einige Zeit woanders leben, aber ich werde immer Amerikaner sein und immer wieder hierher zurückkehren. Ich bin Amerikaner durch und durch.“

SCHNELLFRAGERUNDE

Der letzte Ort, zu dem Sie ein Taxi genommen haben?
„Zum LaGuardia Airport.“

Was steht auf Ihrer Frisierkommode?
„Ein Dampfinhalator.“

Wer ist Ihr liebster lebender Dramatiker?
„Matthew Lopez.“

Das Letzte, was Sie machen, bevor Sie auf die Bühne gehen?
„Ein Gebet sprechen."

Das authentischste Theater in New York?
„New York Theatre Workshop.“



Isaac Powell (@@isaaccolepowell) trägt Modelle der Herbst-/Winterkollektion 2022 von COS.
Fotos von Mario Sorrenti.
Styling von Camilla Nickerson.  

Text von Ben Perdue.


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