MENSCHEN
Liselotte Watkins über die Ästhetik der Weiblichkeit
Im Concept Store von COS in der Biblioteksgatan in Stockholm kann man aktuell eine Reihe von Werken der Künstlerin Liselotte Watkins bewundern.
„Ich fand es schon immer interessant, wie Frauen aussehen und sich bewegen“, sagt Liselotte Watkins (sie/ihr). Zurzeit wohnt und arbeitet sie in einem Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert in den Bergen der Toskana.
Liselotte wurde in der Küstenstadt Nyköping geboren, etwa 100 Kilometer südlich von Stockholm. Ihre Faszination mit der Darstellung von Frauen begann schon in jungen Jahren. „Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich Filme mit Marilyn Monroe schaute und sie danach zeichnete“, sagt sie. „Und von da an habe ich einfach oft Frauen gezeichnet. Ich hatte jedoch wirklich niemanden, der mir etwas über Kunst erzählte, also malte ich, was immer mir gerade in den Sinn kam.“
Inspiriert von der Entdeckung von Malerinnen wie Tamara de Lempicka zog Liselotte im Alter von 17 Jahren nach Texas, um eine Kunstschule zu besuchen. In den 90er-Jahren ließ sie sich in New York nieder und fand dort ihre Berufung, als eine Freundin ihr vorschlug, ihre Modeillustrationen an die New York Times zu schicken. „In dieser Zeit, als die Modewelt viel offener war, mit Anfang 20 in der Modebranche zu arbeiten war sehr inspirierend“, sagt Watkins.
Sie arbeitete für bekannte Größen wie die ELLE und die Vogue, zog 2008 nach Mailand, um sich voll und ganz auf die Kunst zu konzentrieren, und ließ sich anschließend in Rom nieder. Dort begann sie, sich auf das Zusammenstellen der Collagen starker Frauen im Stil des Kubismus zu konzentrieren, die nun die Wände unseres Stores in der Biblioteksgatan zieren.
Liselottes Abbildungen starker Frauen auf Leinwand und recycelter Keramik sind durch die Verwendung ihrer charakteristischen Formen und Farben ebenso geheimnisvoll wie lebendig. Eines der auffälligsten Werke im Store zeigt eine Frau mit Flügeln, die ein Schwert schwingt und auf eine Schlange tritt, die sich um ihre Füße windet.
Der galerieähnliche, minimalistische Raum im nachhaltiger entworfenen Concept Store von COS ist der perfekte Ort für die Ausstellung von Liselottes Werken. „Diese Reihe von fünf Drucken ist nur für COS“, sagt Watkins. „Ich konnte einfach machen, was ich wollte. So arbeiten zu können, das ist ein echter Luxus. Ich bin sehr zufrieden damit, wie alles geklappt hat.“
FRÜHE INSPIRATIONEN
„Ich bin sehr schwedisch, pragmatisch und praktisch erzogen worden und habe mir daher nicht wirklich Gedanken um mein Aussehen oder meine Kleidung gemacht. Mich hat jedoch das Erscheinungsbild anderer Frauen fasziniert. Ich habe mit meiner Kunst nicht wirklich einen Stil verfolgt, also begann ich einfach damit, Zeitungsausschnitte zu sammeln und alles zu verwenden, was ich finden konnte. Ich ging in die Bibliothek, um mir eine größere Auswahl an Büchern zu beschaffen. Früher habe ich Bilder aus Zeitschriften ausgeschnitten, um sie an meine Wand zu kleben und Collagen zu erstellen, die ich für meine Zeichnungen verwendet habe.“
DAS ARBEITEN MIT KERAMIK
„Als ich herausgefunden habe, dass ich auf Keramik zeichnen und malen kann, war es unvermeidlich, dass die weibliche Form wieder Teil meiner Kunst wird. Die Gefäße haben bereits die richtige Form. Also habe ich auf Flohmärkten diese alten Krüge und Töpfe zusammengesucht und damit begonnen, sie zu bemalen. Ab da fing ich wirklich an, mich noch mehr auf die Farben zu konzentrieren. Die Arbeit mit Keramik bedeutete, eine andere Leinwand zu nutzen und ermöglichte es mir, experimenteller zu sein, sie verzieh mehr.“
WIE ITALIEN SIE VERÄNDERT HAT
„Italiener sind sehr gut darin, die kleinen Dinge zu sehen. Das führt dazu, dass man die Dinge mit anderen Augen betrachtet. Alle Sinne werden hier irgendwie verstärkt, von den Gerüchen der Speisen bis hin zum Farbbewusstsein.“
„Meine Ästhetik ist eine Kombination aus dem, was ich gerne zeichne, und dem, was ich am Aussehen von Frauen interessant finde. Ich bin immer auf der Suche nach dem Besonderen.“
IHRE SCHWEDISCHEN WURZELN
„Obwohl ich nur als Kind in Schweden gelebt habe, halte ich mich noch immer für sehr schwedisch. Ich bin eine sehr nostalgische Schwedin und denke an das Land, wie es in den 70er-Jahren war, als ich noch ein Kind war. Wenn wir jetzt im Sommer nach Schweden reisen, erleben meine Kinder ein modernes, sehr technologisch entwickeltes, schnelllebiges Land, das sich so sehr von dem unterscheidet, wie ich Schweden sehe.“
DIE ANZIEHUNGSKRAFT VON GESCHICHTE
„Wir haben sechs Jahre lang in Rom gelebt, da ist es sehr schwer, sich all der Geschichte zu entziehen, da sie direkt vor einem liegt. Man fühlt sich der griechischen und römischen Mythologie sehr nah. Man muss sein Wissen erweitern und ich denke, deshalb interessiere ich mich für all die mythologischen Dinge. Ich meine, man muss über Dante Bescheid wissen, sonst halten einen die Leute für ignorant!“
DIE SCHÖNHEIT DER ANDERSARTIGKEIT
„Als ich anfing, Menschen zu malen, interessierte ich mich nie für ‚das Makellose‘. Die Models, die mich besonders ansprachen, waren immer diejenigen mit einer ungewöhnlichen Gesichtsform oder einer exzentrischen Frisur. Ich war stets auf der Suche nach skurrilen, originellen Motiven, was sich auch in der Ästhetik meiner Zeichnungen widerspiegelt. Es ist eine Kombination aus dem, was ich gerne zeichne, und dem, was ich am Aussehen von Frauen interessant finde. Ich bin immer auf der Suche nach dem Besonderen.“
FANTASIE IN IHRER KUNST
„Seit ich denken kann, habe ich diese kleinen Fantasiewelten erschaffen. Es hat etwas Tröstliches, diese verschiedenen Dinge zusammenzuführen, Erinnerungen und Ideen durchzugehen und diese Fantasien zu erschaffen. Diese Arbeit für COS ist voll von all diesen Referenzen, aber es spielt keine Rolle, ob Sie sie verstehen oder nicht. Ich mag die Idee, dass die Leute ihre eigene Vorstellungskraft in die Betrachtung der Werke mit einbringen.“
IHRE NOSTALGISCHEN METHODEN
„Ich lasse mich von denselben Dingen inspirieren wie in meiner Jugend. Ich halte mich noch an die Regel, die Bilder auf analoge Weise auf Papier herauszusuchen. Zum Beispiel in Büchern, ohne dabei wirklich digitale Hilfsmittel wie Google oder so zu verwenden. Ich sammle Informationen auf die altmodische Art, indem ich auf Flohmärkte und in Läden gehe und dort alte Zeitschriften und Bücher finde. Etwas in der Hand zu halten oder an die Wand zu kleben, löst mehr in mir aus. Der Fund eines Bildes in einer Buchhandlung in Rom, auf dem der Erzengel St. Michael den Teufel mit einem Schwert tötet, wurde zu einer Inspiration für dieses Projekt mit COS.“
ÜBER DIE WERKE FÜR COS
„Ich höre viele Geschichtssendungen wie „In Our Time“ von der BBC und fing an, mich wirklich für die Geschichten von Erzengeln zu interessieren. Nachdem ich dann dieses Bild in der Buchhandlung in Rom gesehen hatte, konnte ich von St. Michael gar nicht genug bekommen. Ich dachte, es würde Spaß machen, eine Jägerin zu malen, die auf ihrer Couch herumliegt, dann aber hinausgeht und wie St. Michael Dämonen tötet. Die Inspiration dafür war also, viel über Geschichte zu lesen und dann über das ganze Multitasking-Ding nachzudenken, eine Frau und Mutter zu sein.“
SCHNELLFRAGERUNDE
Welche Ausstellung haben Sie zuletzt besucht?
Ich besuche immer die Galleria Borghese in Rom und war erst kürzlich dort, da ich gerade eine umfangreiche Biografie über Bellini gelesen hatte.
Wo würden Sie gerne Ihren Urlaub verbringen?
Ich wollte schon immer nach Charleston in Sussex, England, um dort das Charleston Farmhouse zu besuchen.
Welcher ist der beste Markt, auf dem Sie je waren?
Der Flohmarkt in Chelsea, New York. Als ich im YMCA lebte habe ich dort die besten Dinge gefunden. Beispielsweise all meine Eames Stühle, die ich noch heute besitze.
Wer ist Ihre Lieblingskünstlerin?
Louise Bourgeois.
Welche Sammlung ist für Sie am wertvollsten?
Meine Ausschnitte aus alten Büchern.
Text von Andy Thomas